EmK Geschichte

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Tagebuch Charles Wesleys :

Tagebuch Charles WesleysVorwort

Überblickt man die deutschsprachige Methodismusforschung, so stellt man fest, dass die wissenschaftliche Beschäftigung mit Charles Wesley hier vergleichsweise spät einsetzte. Dies hatte im wesentlichen zwei Gründe: Zum einen wurde lange Zeit einseitig Charles` älterem Bruder John der viel maßgeblichere Einfluss auf die Entstehung und Ausbreitung der methodistischen Bewegung im angelsächsischen Raum im 18. Jahrhundert zugeschrieben. Zum anderen fehlten aber auch wichtige Forschungsgrundlagen, namentlich das Vorhandensein einschlägiger Quelleneditionen in deutscher Übersetzung.

Beider Probleme hat sich Martin E. Brose in unermüdlicher, mittlerweile über 20jähriger Forschungstätigkeit angenommen. Er war es, der 1992 die überhaupt ersten Auszüge in deutscher Sprache aus Charles Wesleys Tagebuchaufzeichnungen, nämlich das Tagebuch 1738, veröffentlichte – damals erschienen in der von der Studiengemeinschaft für die Geschichte der EmK herausgegebenen Reihe Beiträge zur Geschichte der EmK (BGEmK). Seither hat sich der studierte Kirchenmusiker durch zahlreiche weitere Veröffentlichungen profiliert und gilt heute als der Charles Wesley-Kenner in Kontinentaleuropa schlechthin. Neben den Quelleneditionen, etwa einem 2007 anlässlich des 300. Geburtstags von Charles Wesley verausgabten Predigten-Band (Charles Wesley. Die Predigten. Deutsche Auswahlausgabe, Göttingen 2007), ist auch Martin E. Broses exzellente systematische Studie unter dem Titel Zum Lob befreit. Charles Wesley und das Kirchenlied (BGEmK 45/1997) von der interessierten Öffentlichkeit beifällig aufgenommen worden. Zudem legte er zum Jubiläum 2007 das übersetzte und kommentierte Tagebuch Charles Wesleys der Jahre 1736-1738 vor (EmK Geschichte. Monografien, Bd. 53).

Bereits dieser erste Teil von Charles Wesleys sich insgesamt von 1736 bis 1756 erstreckenden Aufzeichnungen ließ damals den Wunsch nach baldmöglicher Fortsetzung der Tagebuch-Edition aufkommen. Denn sowohl die überzeugende Übersetzung als auch der in allen Belangen instruktive Kommentar des Herausgebers trugen ganz wesentlich zur vertieften Kenntnis der Persönlichkeit und des Wirkens von Charles Wesley bei.

Lebhaft ist es zu begrüßen, dass nunmehr diese Fortsetzung für die Jahre 1739 und 1740 erscheinen kann. In gewohnter Weise hat der Herausgeber das Quellenmaterial sorgfältig ediert und mit hilfreichen Anmerkungen versehen, die zusammen mit dem Text ein plastisches Bild von den persönlichen Umständen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen vermitteln, unter denen Charles Wesley in jenen Jahren als rastloser Prediger, ideenreicher Dichter, streitbarer Theologe und Bibelkenner, einfühlsamer Seelsorger, aber auch als angefochtener und um seiner Lehre und Frömmigkeit halber angefeindeter Mensch lebte und wirkte. Im vorliegenden Tagebuch-Ausschnitt vertiefen und erweitern sich die bereits aus dem Diarium der Jahre 1736-1738 ersichtlichen Persönlichkeitszüge, Glaubensauffassungen und Arbeitsgrundsätze Charles Wesleys. Zugleich wird aber auch Neues deutlich. Das Tagebuch 1739-1740 lässt Charles` Anteil an der Organisierung der entstehenden methodistischen Arbeit erkennen: das erste Versammlungszentrum wird in Bristol eingerichtet, die ersten Predigten werden im Freien gehalten, die ersten Gesangbücher entstehen. Richtungsweisende entscheidungen fallen oder werden vorbereitet. Der Leser lernt anhand von Gesprächsnotizen Charles Wesleys Argumente gegen Quietismus und Prädestinationslehre kennen; auch Wesleys Konflikt mit der anglikanischen Kirche, deren Pfarrer er ist, und der trotzdem von Kollegen vom Abendmahl ausgeschlossen wird. Anschaulich wird die tägliche „Kleinarbeit“ unter den Kohlenarbeitern und in der Gefängnisseelsorge, das Auf und Ab zwischen kraftvoller Predigt vor unzähligen Menschen und bedrohlicher körperlicher Erschöpfung u.v.a.m. Kurzum: es gelingt ein weiterer einzigartiger Einblick in das Leben und Wirken einer der großen Gründergestalten des Methodismus sowie in einen prägenden Zeitabschnitt methodistischer Theologie- und Frömmigkeitsgeschichte.

Der Studiengemeinschaft für die Geschichte der EmK ist es eine ausgesprochene Freude, diese neuerliche Arbeit Martin E. Broses in ihre Schriftenreihe EmK Geschichte. Monografien aufnehmen zu können. Sie dankt dem Herausgeber herzlich für diesen beträchtlichen Beitrag zur Erforschung des Methodismus und wünscht dem Buch weite Verbreitung und eine interessierte Leserschaft. Möge die Lektüre von Charles Wesleys Tagebuch dazu dienen, auch heute die impulsgebende Kraft des Glaubens zu entdecken. Dies entspräche gewiss nicht nur der Absicht des Herausgebers, sondern auch des von ihm so facettenreich Porträtierten.

Zwönitz/Erzgebirge, im Januar 2012
Michael Wetzel

 

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