EmK Geschichte
EmK Geschichte
Tagebuch Charles Wesleys :
Vorwort
Größere Editionsprojekte, wie die Herausgabe von Charles Wesleys Tagebuch der Jahre 1736 bis 1756 in deutscher Übersetzung, brauchen einen langen Atem. Als Martin E. Brose im Jahr 2007 anlässlich des 300. Geburtstags von Charles Wesley den ersten Band der Tagebuchaufzeichnungen dieser Gründergestalt des Methodismus mit den Eintragungen der Jahre 1736 bis 1738 vorlegte, zeichnete sich bereits ab, dass das Gesamtvorhaben einen weiteren erheblichen Zeit- und Kraftaufwand nach sich ziehen würde. Der Herausgeber hat diese Mühen nicht gescheut und dem Eingangsband 2012 einen zweiten Teil mit Charles Wesleys Notizen der Jahre 1739 und 1740 folgen lassen. Dieser wird nun seinerseits ergänzt durch den hier vorliegenden dritten Band der Jahre 1741 bis 1744.
Es sind wiederum sehr bewegte Jahre für die persönliche Entwicklung Charles Wesleys, wie auch für die methodistische Bewegung insgesamt. Das verdeutlichen nicht nur die gewohnt souverän übersetzten und mit wertvollen Anmerkungen versehenen Tagebuch-Texte, sondern auch die im Anhang enthaltene Auswahl von Charles Wesleys Korrespondenz, einige seiner Dichtungen und die biographischen Porträts verschiedener seiner Weggefährten. Der Leser erhält Einblick in eine sehr produktive Lebensphase Charles Wesleys, der als etwa 35-jähriger ein enormes Arbeitspensum bewältigte. Allein schon der Blick auf die unzähligen Stunden im Dienst an Kranken, Sterbenden, Verurteilten und Gefangenen lässt das seelsorgerliche Element als ein zentrales Betätigungsfeld des Geistlichen erkennen.
Nicht minder ist es die Anzahl und inhaltliche Breite seiner Predigten, der Umfang seiner Reisetätigkeit, aber auch das literarische Schaffen in Form von Liedern, Gedichten und Briefen, das Charles Wesleys Wertschätzung bei Zeitgenossen und Nachgeborenen gleichermaßen begründet. So fallen in die Jahre 1741 bis 1744 mehrere Massenzusammenkünfte, bei denen jeweils mehrere Tausend Menschen dem begnadeten Prediger Wesley zuhörten. Freilich setzten sich auch die zuvor schon beobachteten Anfeindungen fort: Steinwürfe, Tumulte und persönliche Verleumdungen zeigen die gesellschaftliche Sprengkraft, die der methodistischen Bewegung in den 1740er Jahren weiter innewohnte.
Zu bewältigen waren ferner die organisatorischen Erfordernisse bei der Ausbreitung des Methodismus im südlichen Wales und um Newcastle, aber auch manch persönlicher Verlust und manch schmerzhafte Trennungen. So wurde beispielsweise Charles` Mutter Susanna 1742 zu Grabe getragen und mehrere Weggefährten sagten sich von ihm los. Die theologischen Auseinandersetzungen mit der Prädestinationslehre und dem Quietismus gingen weiter und führten zumindest zwischenzeitlich dazu, dass Charles Wesley das Predigen einstellte. Kenntlich wird anhand der Aufzeichnungen auch die Einführung neuer Frömmigkeitsformen, z. B. der Wachnachtsgottesdienste.
Die Quellenedition hilft auf diese Weise über die biographischen Züge hinaus das Wesen des frühen Methodismus tiefgreifend zu erfassen und ihn als einen Antwortversuch auf brennende theologische, soziale und gesellschaftliche Fragen im England des 18. Jahrhunderts zu deuten. Als ein wichtiger Teil des historischen Erbes der Evangelisch-methodistischen Kirche verdient Charles Wesleys Tagebuch auch heute Beachtung - vor allem, weil die Herausforderungen, denen sich der Schreiber damals gestellt hat, über sich hinausweisen und dazu anregen Glaube und Frömmigkeit in den je und je eigenen Bezügen der Gegenwart verantwortlich zu gestalten.
Die Studiengemeinschaft für die Geschichte der EmK ist dem Herausgeber Martin E. Brose zu großem Dank verpflichtet und freut sich, dass das Erscheinen des vorliegenden Bandes in zeitlicher Nähe zu seinem 80. Geburtstag erfolgen kann. Der Würdigung der qualitätvollen Arbeit des Übersetzers und Kommentators schließt sich deshalb eine herzliche Gratulation an, verbunden mit der Bitte um Gottes Segen und weiterhin gute Schaffenskraft.
Zwönitz/Erzgebirge, im Mai 2016
Michael Wetzel